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Europas Heiliger Krieger

Die Inszenierung

Ein (M)Oratorium in 9 Szenen

von Siegmund Kleinl / Inszenierung: Peter Wagner
Mit Gernot Piff / Musik und Bandoneon: Ferry Janoska
Virtueller Chor: Siegmund Kleinl, Gernot Piff,
 Eveline Rabold, Reinhold F. Stumpf

Virtuelle Chorführerin: Katharina Tiwald


Einrichtung der Bühnen-, Licht-,
 Kostüm-, Video- und Tonelemente: Peter Wagner


Technikdesign auf multiplen Ebenen: Georg Müllner

Regieassistenz: Isa Nemeth / 
Produktionsleitung: Alfred Masal


Eine Produktion der Theaterinitiative Burgenland 2016

Uraufführung: 4. März 2016 / 20:00 Uhr / Offenes Haus Oberwart

DER HEILIGE KRIEGER
 – MARTIN(I) IN ANDERS



„Europas heiliger Krieger“ heißt das Stück von Siegmund Kleinl, das Anfang März im OHO uraufgeführt wurde. Die Hauptfigur kennen alle: Es ist der heilige Martin. Aber zu sehen ist ein Mann, den man so noch nie gesehen hat.

Unbewaffnet tritt Martin vor das gegnerische Heer der Germanen. Ein Reporter filmt alles. Es ist unheimlich. Wer ist das bloß, der da ohne Waffen in die Schlacht geht? Ja – wer ist das, dieser heilige Martin? Autor Siegmund Kleinl beginnt sein Stück mit einer Szene, die historisch nicht belegt ist.


Und genau das ist es, was er in „Europas heiliger Krieger“ grundsätzlich tut: Er vermischt Fakten mit Fiktion und Legendenelementen, holt den heiligen Martin in die Gegenwart und entzaubert die mythenumwobene Figur. Damit setzt er im Jubiläumsjahr „1700 Jahre heiliger Martin“ einen Kontrapunkt gegen das gängige Bild. Heraus kommt: ein Mensch. Ein Fundamentalist, ein Glaubenskrieger, jemand, in dem man auch einen Dschihadisten erkennen könnte. „Ich bin überzeugt, dass Dinge, die in der Vergangenheit passiert sind, heute wieder passieren, anders passieren und das hab ich versucht darzustellen“, erklärt der Autor. Und Regisseur Peter Wagner ergänzt: „Was wir im Theater tun, ist immer Gegenwart zu hinterfragen, da ist es wurscht, ob wir eine Figur aus der Antike oder der Jetztzeit auf die Bühne stellen.“

Martin, dargestellt von Gernot Piff, ist ein erbitterter Kämpfer Christi – einer, der übrigens Jesus, so wie wir ihn uns vorstellen, mit seinem Vollbart und den langen Haaren ganz schön ähnlich schaut. Er lässt heidnische Tempel zerstören, bis er erkennt, dass er auf dem falschen Weg ist. Auf einmal kämpft er auch gegen sich, seine Zerrissenheit. Da sind Stimmen. Ein Chor. Musik von Ferry Janoska, die eine Brücke baut zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Bilder, Geschichten, wieder Martin selbst. Groß zu sehen auf einer Leinwand. Mehrfach und gleichzeitig zu hören: seine Stimme. Vom Tonband und live. Martins innerer Wandel zu einem toleranten Mann wird auch ins Außen projiziert. Seine menschlichen Facetten treten in den Vordergrund, und zwar alle. „Ich wollte der Figur diesen Bierernst, den theologischen Ernst nehmen und auch den gewitzten Verführer zeigen“, sagt Peter Wagner.



Es klappt. Martins Veränderung gelingt und gleich beweist er seine Verführungskünste bei einem Deal mit Banktemplern: Während er ihnen Zugang zu einer transzendenten Macht zu verschaffen verspricht, bekommt er Geld für die Armen. Er versteht, was seine Aufgabe ist: Er soll Heil im Hier und Jetzt schaffen. Damit wird ein Lösungsansatz aufgezeigt, den Siegmund Kleinl gerne auch beispielgebend verstanden wissen will.

Ein ganz neues Martinsbild wird in „Europas heiliger Krieger“ da gezeichnet. Es ist die zweite Produktion der Theaterinitiative Burgenland, eines Vereins aus burgenländischen Theaterschaffenden. Und seine Uraufführungen von Stücken burgenländischer Autoren passieren immer in Kooperation mit dem OHO. „Wir sind ein produzierendes Haus und es wendet sich grade noch stärker hin zur dramatischen Kunst. Eigenproduktionen sind da ein wichtiger Teil“, sagt OHO-Geschäftsführer Alfred Masal.



Und was macht diese Produktion? Sie verstört ein bisschen. Schließlich ist es schon unbequem, sich von altbekannten Wahrheiten und Geschichten zu lösen. Aber das ist in Ordnung so, sind sich alle Beteiligten einig.

Pressestimmen


Eine Art Beschäftigungs-Theater
Nach der Uraufführung von „Europas heiliger Krieger“ im OHO
Ein Theaterabend kann unterschiedliche Formen haben. Er kann unterhalten, einen aus dem Alltag holen oder zum Nachdenken anregen. Letzteres war die Intention der Macher von „Europas heiliger Krieger“. Das Stück, das den heiligen Martin entmystifiziert und als mit sich selbst kämpfenden, dschihadistenähnlichen Krieger zeigt, soll(te) das Publikum beschäftigen, sie anregen. Und das ist gelungen, sagt Premieren­besucherin Andrea Ochsenhofer: „Bei mir hat das Stück lange nachgearbeitet, da musste viel sickern, es hat wirklich eine nachhaltige Wirkung bei mir. Denn das Thema ist brandaktuell und trifft mich in einer Phase, wo ich mir unsicher bin, welche Haltung ich in der Flüchtlingsfrage habe.“ Eine Reaktion, die einen nur bestätigen kann, das Richtige getan zu haben, sagt Regisseur Peter Wagner: „Ich sehe, dass das, was wir hier erarbeitet haben und anbieten, nicht nur auf Interesse stößt, sondern Leute wirklich beschäftigt. Menschen sind wieder auf der Suche nach Orientierung, für die man offenbar mehr tun muss, als gesellschaftliche Muster zu reproduzieren. Dem kommen solche Theaterabende in gewisser Weise entgegen.“

Während der Uraufführung im OHO war es mucksmäuschenstill, jede Stecknadel hätte man fallen gehört, kein Huster hat gestört. Der Haupt- und einzige Darsteller Gernot Piff hat es geschafft, das Publikum ganz in seine Welt zu ziehen und dafür hat er großen Respekt erfahren. Dass Ferry Janoska und seine Musik Garanten für sehr emotionale Momente sind, weiß man längst, auch diesmal trägt er dazu bei, dass das Publikum ehrlich ergriffen ist. „Seine Musik berührt mich immer, er hat eine unglaubliche Präsenz, wenn er spielt“ sagt Andrea Ochsenhofer.

Die technisch aufwendige Inszenierung mit den vielen Ton- und Videoeinspielungen und Projektionen drückt Martins inneren Kampf aus. Und dabei bleibt alles rund und stimmig, meint Premierenbesucher Robert Michor: „Der Spannungsbogen bleibt, durch die starke Präsenz des Akteurs im Wechselspiel mit den ,Figuren‘ auf der Leinwand, durchgängig erhalten. Und, in einem Bild gesprochen: Das grobe und das feine Garn sind perfekt zu einem Ganzen gewoben.“

Was soll man da noch sagen, außer: anschauen und sich selbst ein Bild und eigene Gedanken machen!
Ursula Neubauer, BLATTWERK

Hammer statt Schwert
„Europas Heiliger Krieger“: So hat man den Landespatron bislang noch nie gesehen.
Er habe seinen Mantel nicht mit dem Schwert geteilt, er habe nie halbe Sachen gemacht. Stattdessen nimmt der Heilige Martin den Vorschlaghammer und rückt den Banken zu Leibe ...
 Nach Aufführungen im Offenen Haus Oberwart zog die Theaterinitiative Burgenland aus, um auch das ORF-Landesstudio mit Siegmund Kleinls wortgewaltigem Stück zu bespielen. Und dieses Wort – eindringlich verkörpert durch Gernot Piff – reißt mit. Kleinls Text ist keine Demontage des Mythos, sondern eine Re-Montage, inklusive Seitenhieben. Peter Wagners Inszenierung mit Videoinstallationen bringen zur Musik Ferry Janoskas ein wichtiges, wuchtiges Stück Theater auf die Bühne.
Wolfgang Millendorfer, BVZ