Lady's Voice
Triptychon posthum
Die Inszenierung
Musik: Gerhard Lampersberg
Zum Stück verdichtet, choreographiert und inszeniert von Peter Wagner
Uraufführung
Premiere: Mittwoch, 27. Feber 2013,
klagenfurter ensemble
Nach Texten von Gertrude Stein und Hubert Fabian Kulterer
sowie Bildmotiven von Edvard Munch
Musikalische Leitung: Alexei Kornienko
Darsteller: Michael Kuglitsch und Bella Ban
/ In weiteren Rollen: Peter Raab, David Guttner
Musik: Collegium Musicum Carinthia /
Sängerin: Waltraud Russegger
Remix: Herwig Zamernik
Eine Produktion des klagenfurter ensemble
Bühne, Licht, Videos: Peter Wagner
Stückeauswahl Triptychon: Alexander Doent
Organisation und PR: Gerhard Lehner, Maja Schlatte, Regieassistenz: Mercedes Springer,
Bühnentechnik: Daniel und Gottfried Lehner
Sprecher/innen:
Elena Denisova, Brigitte Deutsch, David Guttner, Marilene Novak, Mateja Sustersic, Peter Raab
Instrumentalist/innen:
Gottfried Isopp – Trompete, Marko Jurecic – Schlagwerk, Wiktoria Kaminska – Klavier, Simon Pibal – Klarinette, Lorenz Pichler – Flöte, Alenka Piotrowicz – Cello, Gilbert Sabitzer – Saxophon
Zur Inszenierung (Auszug)
Das Triptychon als Form und poetischer Leitfaden der 3 Lampersberg-Stücke
Sowohl die klassische als auch die moderne Form des Triptychons (von van Eyck, Bosch und Dürer bis zu Dix, Beckmann und Kokoschka) präsentieren die Splittung eines Motivs in einem quasi entwicklungsdramatischen Zusammenhang. Man kann ein Triptychon von allen Seiten her lesen, aber man wird doch springen und die Schnitte bzw. Schnittstellen erkennen müssen. Allerdings legt die Dreiteilung als solche auch die Analogie zu den Akten des Dramas nahe.
Sieht man davon ab, dass Gerhard Lampersberg den Stücken Genrezuweisungen wie Opera, Ballett und Pantomime erteilt, so sind zunächst kaum formale, musikalische oder inhaltliche Gemeinsamkeiten der drei Werke erkennbar, die ihre Zuordnung zu einem geschlossenen Werk, wie es das Triptychon per se darstellt, rechtfertigten. Auch die ähnlich gelagerten, kammermusikalischen Besetzungen erfüllen das Kriterium, in drei Teilen ein Werk zu sein, nicht: das posthum intendierte musikdramatische Werk – und sei es auch nur eines in drei unterschiedlichen musikalischen Erzählungen - ist trotz der gezielten Zuordnung des Komponisten zu bekannten theatralischen Gemeinplätzen nicht automatisch erkennbar. In den Partituren fehlt auch jeder Hinweis auf eine figurale oder dramatische Ausgestaltung oder Entwicklung. Anders als in den meisten musikdramatischen Werken verweigert uns der Komponist jede Regieanweisung, sieht man von einigen wenigen Anmerkungen in „Ladies´ Voices“ ab, die eine sehr frei zu gestaltende musikalisch-dramatische Entwicklung zwischen den Stimmen und der Musikführung nicht nur erlauben, sondern explizit nahelegen.
Man muss daher tiefer hineinwandern in den poetischen Leitfaden der drei Stücke, um ihre innere Verwachsenheit zu erkennen. Spätestens dort wird ihr sentimentaler Fährtenleger – und man möchte vermuten: der des gesamten Lampersberg-Werkes – evident: es ist Lady´s Voice, nicht so sehr als tatsächlicher stimmlicher Ausdruck denn als Bezeichnung des poetisch-existenziellen Atems und der tiefen Frauen-Prägung des Mannes, seiner Anima, der „im lebenden System eingegrabenen Erbmasse“ (C.G.Jung!). Die sprachliche Aufteilung des Gertrude Stein-Textes „Ladies´ Voices“ legt nahe, dass Lampersberg mit dem C.R., also dem Curtain Raiser, eine eigene männliche (Sprecher)Figur meinte, obwohl „Curtain Raiser“ im strengeren Sinn eine Art Vorspiel im (englischen) Theater bezeichnet. Somit wäre sie die einzige konkret vorhandene, per Namensbezeichnung ausgewiesene Figur sämtlicher drei Stücke. Die Inszenierung, der der Regisseur durch den von ihm unterstellten Anima-Leitfaden den Titel „Lady´s Voice – Triptychon posthum“ gegeben hat, greift dieses von Lampersberg singulär geworfene Hölzchen auf und entwickelt das Stück rund um einen Curtain Raiser, der von der Allegorie zur Person mutiert ist, wenn auch in der Schablone seiner theatralischen Begrenztheit. Wir sind geneigt, diese Figur als die Schablone des Komponisten selbst zu verstehen: Er öffnet seiner in mehrfachen Stimmen und Stimmungen sprechenden Anima den Vorhang, hinter dem sie aber gleichwohl die eine, in viele Stimmen aufgefächerte Stimme bleibt. Damit liefert sie einen klaren Verweis auf die schwebend-poetische Kraft des weiblichen Nachhalls in der Seele des Mannes, der wie das Echo einer vergeblichen Suche nach dem Eigenen, also als Ausdruck der latenten Melancholie des Mannes übrig bleibt.
Bild 1: Ladies Voices - Opera
/ Text: Gertrude Stein
Legt die Sprachanordnung des von Gertrude Stein als „Play“ bezeichneten Textes keine bestimmte Stimmenaufteilung nahe, so hat Gerhard Lampersberg das von ihm als opera etikettierte Werk auf eine frei sprechende männliche und fünf sowohl frei als auch notiert sprechende weibliche Stimmen verteilt, um die dialogische Struktur des Textes zu betonen. In unserer Inszenierung werden sie Stimmen bzw. Schatten ihrer Interpretinnen bleiben, um durch die vermeintliche Entkörperung und Reduzierung auf das rein akustisch rezipierte und nur im Schattenriss figurative Sprechen eine Atmosphäre der Unwirklichkeit und existenziellen Rückbezüglichkeit auf die zentrale Figur, den Curtain Raiser, zu erzeugen.
„Ladies´ voices give pleasure“, sagt er eingangs, um nach der Hauptkaskade jenes von Stein gemeinten „There ist always a story going on“ zwischendurch eher unfreiwillig zu fragen: „What are ladies voices.“ Die Antwort geben, wenn überhaupt, die Stimmen der Frauen selbst. Sie haben uns den Eingang auf das Drama des Mannes eröffnet, der hier als Vorhangöffner agiert und damit nicht nur sich selbst eine Türe aufgeschlagen und die Reise in sein Inneres begonnen hat. Schon hat sich seine weibliche Seite Platz in seinem Reich verschafft, ob ihm das nun gefällt oder nicht: hier beherrscht er den Raum längst nicht mehr, den er verwaltet und der in diesem Falle das Theater selbst ist, die Arena seiner existenziellen Spiegelung.
Bild 2: Ziffern - Pantomime
/ Text: Hubert Fabian Kulterer
Schon der zweite Vorhang wird nicht mehr von ihm, dem Curtain Raiser geöffnet, sondern von der Frau, die sich auf der Bühne seines Selbst eingefunden hat. Sie ist es, die seinen Aufbruch in die Welt initiiert, der mit der Forderung seiner Anima nach dem Blick hinter die Latten eines unsichtbaren Zaunes beginnt. Damit hat das Drama seiner Erkenntnissuche begonnen, die ihn – als Täter und Opfer zugleich - in Masken und Kreuzigungen, in seine Schicksalsfügungen und das Wissen um Vergänglichkeit und Tod im unumkehrbaren Ablauf des vermeintlich Zähl- und Bezifferbaren führen wird.
Ist die musikalische Struktur des Stücks bzw. seiner sechs Einheiten dem Pantomimischen bereits verhaftet, so treiben die Strenge und Knappheit des von den Stimmen rezitieren Textes den Curtain Raiser als Gast im Gastraum seines privaten wie öffentlichen Tuns in einen rasenden Ablauf seiner Metamorphosen und Wandlungen zwischen Aufbruch und Katastrophe. Am Ende sitzt er als gefallener Held hilflos in den Fängen eines Schicksals, das er nicht versteht, gehalten alleine von den Armen einer Frau, die sein Drama begleitet hat, als rächende Göttin genauso wie als seine Zuträgerin, Krankenschwester und Pflegerin.
Bild 3: Dance of Life – Ballett /
nach Motiven von Edvard Munch
Der dritte Vorhang, der geöffnet wird, erzählt vom Scheitern der bürgerlichen-romantischen Liebe. Des ursprünglichen Curtain Raisers Anima ist nun tatsächlich seine ihm angetraute Frau, die den gefallenen Helden nach dessen Abstürzen und Katastrophen wieder aufgerichtet und ins Leben zurückgeholt hat, in ein bürgerlich-beschaulich zurecht gerichtetes Leben, das sich mit den schmucken Ausformungen eines Wohnzimmers begnügt, in dem die Weltbetrachtung fortan dem Genuss einer Art von Heimkino gleichkommt. Hier ist jede eigene Regung, jeder eigene Gedanke, jede eigene Aktivität obsolet, weil in häuslicher Selbstzufriedenheit festbetoniert.
Das aber wird sich rächen. Schon die Bilder Munchs, mehr aber noch die von Lampersberg gewählte Dramaturgie der einzelnen Bilder und ihrer Abfolge lassen keinen Zweifel am Ausgang einer Hoffnung, die Liebende in ihren Anfängen hegen, ehe sie in den Katastrophen gesellschaftlicher Inakzeptanz und eigener Ängste und Zweifel verkommen. Jahrzehnte nach Munch wird Sartre sagen: „Die Hölle, das sind die anderen.“ Lampersberg holt mit Munch die Hölle in jeden einzelnen zurück, macht ihn zum Fremden in sich selbst und stellt am Ende über den letzten Schrei der scheiternden Existenz einen Mond, der über der spiegelglatten Fläche seines Grabes schimmert.
Peter Wagner, Feber 2013
Pressestimmen
Die Gespenster im Tonhof des Gerhard Lampersberg
Mit bem „Triptychon posthum Lady´s Voice“ gelang dem klagenfurter ensemble eine Beschwörung der psychischen Welt des Kärntner Komponisten, Dichters und Mäzens.
Klagenfurt. Das eine war die soigniert-noncalante Atmospähre eines Adelssitzes am Lande, wo sich die Hausleute, Gerhard und Maja Lampersberg, so unauffällig bewegten, als gehörten sie zum Inventar. Das andere waren die Götter und Dämonen, unter deren Einfluss der Komponist und Dichter sein Lebetag stand. Wenn Michael Kuglitsch in der Theaterhalle 11 zu Beginn des Triptychons „Lady´s Voice“ vor einem Gazevorhang seine Pantomime zelebriert, so kann man, wenn man den gealterten Gerhard Lampersberg gekannt hat, auf das junge Genie schließen, unter dessen (beileibe nicht ungefählichem) Bann ein wichtiger Teil der neueren österreichischen Kulturgeschichte gestanden ist. In den Kulissen des Tonhofes gibt es um mitunter zerstörende Leidenschaften, um seelische Athropophagie. Die Abgründe sind von Thomas Berharnd mit entsprender dämonischer Akribie dokumentiert.
Es ist der ke-Produktion unter der Leitung von Peter Wagner nicht hoch genug anzurechnen, dass hier, zur betörend schönen, zugleich aber verstörenden Musik Lampersbergs – zwischen Sakralität und Übermut chargierende Töne – dessen berstende psychische Welt erahnbar gemacht wurde. Wie eine Geistererscheinung aus wer weiß welchem surrealen kollektiven Traum der Tonhof-Gesellschaft in die Gegenwart teleportiert, Bella Ban als „Lady“, kühles, unerreichbares Objekt der Begierde, grausame Muse und (tückisch) fürsorgliche Betreuerin des ihr hilflos ausgelieferten Genies; eine beängstigende Evokation. Etwa das Bild des um einen Doppler Rotwein schmachtenden Dichters oder die dunkle Karikatur des Archetpypus der Pietà, nach Texten des Kärntner Dichters und Word-Alchimisten Hubert Fabian Kulterer. Peter Raab mit Hackebeil und David Guttner erscheinen offensichtlich als Vollzieher eines psychischen Gerichtsurteils.
Die Voliere der Vogelstimmen
Wie eine ganze Voliere von Vogelstimmen, die Stimme der nur als Schatten sichtbaren Sängerin Waltraud Russegger, außerirdisch ihre Lach-Koloraturen zum Spiel auf der Bühne. Außerirdisch, von einer verführerischen Esoterik Gerhard Lampersbergs Musik, dargebracht vom Collegium Musicum Carinthia unter der Leitung von Alexei Kornienko. Ein Abend für Leute, die an Gespenster glauben.
bks (Bertram Karl Steiner), Kärntner Tageszeitung, 1. März 2013
Hinter dem unsichtbaren Zaun
Ein paar Noten von Gerhard Lampersberg, Textzeilen von Gertrude Stein und Hubert Fabian Kulterer, Bilder von Edvard Munch und Schauspielkunst verdichten sich in der Klagenfurter Theater Halle 11 zu einer spannenden Reise in das Innerste eines Mannes, zu seinen weiblichen Stimmen.
In die Spannung einer Uraufführung schaut er durch den Vorhang, tritt vor – und kaut Zuckerln. Plötzlich zuckt er zusammen: Er hört seine weiblichen Stimmen, fünffach, zeitversetzt, in vielen Stimmungen – die mystischen Frauen als Schattenrisse auf Stoffbahnen. Dann erscheint sie, stumm, elegant, ruhig, auf einer Bank sitzend – ebenfalls projiziert. Doch die Kugel, die das Traumbild rollt, kommt im Leben an. Bei ihm. Immer mehr lässt er sich auf seine Anima ein, wird abhängig. Um die Sucht zu stillen, um Wein aus ihrer Flasche zu kriegen, macht er sich lächerlich, verletzlich.
Im zweiten der drei nicht wirklich zusammengehörenden, aber miteinander zu verstehenden Teile, fordert seine vielstimmige Anima, „hinter die Latten eines unsichtbaren Zaunes“ zu blicken. Beim Tanz, bis zur Kreuzigung und zur Pietà sucht er Schicksal und Sinn.

Der letzte Vorhang eröffnet Liebe, Nestbauen fürs Heimkino. Doch Lampersbergs Musik und die Bilder Munchs enden im „Schrei“. Erst der über dem Grab des Gescheiterten leuchtende Mond stimmt versöhnlich.
Ein fesselnder Abend, für den Peter Wagner fast stumme, körpersprachlich überzeugende Darsteller – Bella Ban und Michael Kuglitsch – und technische Rafinessen inszenierte, samt mystischer Musik (unter Alexei Kornienko). Die Traumreise auf der „Tonhofspur“ ist buchbar bis 5. Mai.
Ch. N. Kogler, Neue Kronenzeitung, 1. März 2013
Poetisches Flechtwerk
Gerhard Lampersberg liefert den Sound, C. G. Jung den Leitfaden: In "Lady´s Voice" gehen Mann und Frau durch die Hölle und dem Ende entgegen.
Am Anfang war er mir so was von unsympathisch", erzählt Peter Wagner. Der burgenländische Regisseur liefert mit dem Triptychon "Lady´s Voice" den Auftakt für das große Gerhard-Lampersberg-Projekt (siehe rechts) und hat sich dafür intensiv mit dem Komponisten, den er nur aus Ton- und Filmdokumenten kannte, auseinander gesetzt. Anfängliche Irritationen über Lampersbergs "leicht distinguierte Sprache" oder dessen Auftreten (unter anderem in Knickerbockern) wichen bald einer Wertschätzung des Künstlers: "Seine Musik, eine Art gemäßigte Zwölftonmusik, ist ebenso komplex wie reduziert und bietet viele dramatische Anknüpfungspunkte. Da ist meine Achtung vor ihm sprungartig gestiegen."
Drei bisher unaufgeführte Stücke des Komponisten wird Wagner nun auf Einladung des "klagenfurter ensembles" zur Musiktheaterproduktion "Lady´s Voice" verflechten. Und es wird wohl ein höchst komplexes Unternehmen: 17 Personen sind auf der Hinterbühne im Einsatz, darunter das "Collegium Musicum Carinthia" unter Alexei Kornienko sowie mehrere Sprecher. Sie alle werden ihren Schatten auf die eigentliche Bühne werfen, selbst die Musik soll im Schattenriss visualisiert werden.
Überhaupt dient die Technik als Illusionsverstärker: Unter anderem werden vier Kameras im Einsatz sein. Und "Fuzzman" Herwig Zamernik wird die Musik der drei Lampersberg-Stücke, deren reine Spielzeit gemeinsam 25 bis 30 Minuten beträgt, live abmixen und den beiden Schauspielern als (zusätzlichen) Soundteppich zu Füßen legen.
Auf diesem Teppich wandern Bella Ban und Michael Kuglitsch rund siebzig Minuten einen poetischen Leitfaden entlang, den Wagner im "Anima"-Begriff von C. G. Jung gefunden hat: "Aus allen drei Stücken hört man den weiblichen Aspekt und die tiefe Frauen-Prägung des Mannes heraus", so Wagner.
Konkret schaut das so aus: In Teil eins (Text: Gertrude Stein) dringt eine Frau ins Leben eines Mannes ein. Im zweiten Teil (Text: Hubert Fabian Kulterer) geht sie mit ihm durch die Hölle beziehungsweise durch die Menschheitsgeschichte. Und im dritten Teil (nach Bildern von Edvard Munch) richten sich die beiden im bürgerlichen Wohnzimmer ein und schauen gemeinsam ihrem Untergang entgegen.
Marianne Fischer, Kleine Zeitung, 20. Feber 2013, Vorbericht