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Burgenländische Landeshymne

von Peter Wagner

(frei nach Ernst J. Görlich. Musik: Peter Zauner)

1.

Mein Heimatvolk, mein Heimatland,

dem Arsch der Welt verbunden!

Auf dir ruht manches Mächtigen Hand,

sie hat dich oft geschunden.

Du bist gestählt ganz wie Beton

aus Kirche, Suff und Pendlersfron.

Mach dir nichts draus aus so viel Schand,

du bist ja nur das Burgenland!

2.

Rot-gold, so strömt der Weingeruch

aus deinem Heldenmunde.

Rot ist zwar nur’s Parteienbuch

und braun die Heimatkunde.

Doch umso goldner glänzt der Schein

der heil’gen Technokraten drein.

In Wien bist du gar gut bekannt

– als bess’rer Witz – , mein armes Land!

3.

Mein Heimatvolk, mein Heimatland,

lass dich nicht so verschachern!

Schon liegst du als gar teures Pfand

im Schoß von üblen Machern.

Wohin man sieht, landab, landauf,

feiert Natur den Ausverkauf.

Denn an der langen Lacke Strand

gräbst du nach Geld und baust auf Sand.

Zusatzstrophe:

Du Heimat wirst so unverhofft

regiert von Patriarchen.

Man hörte sie schon oft und oft

im Landtag lauthals schnarchen.

Mal wacht dann einer auf und schreit

in seiner satten Eitelkeit:

»Wie liebe ich dies schöne Land!«

und schläft dann weiter unverwandt.

neuhaus, im feber 1981

sehr geehrte frau benigni!

ich hatte mich ursprünglich mit einigem ehrgeiz an die aufgabe gemacht, den heimatbegriff aus meiner warte zu entwickeln, einfach weil sie mich interessierte. im verlauf meiner arbeit musste ich jedoch erkennen, dass mein beitrag eine wichtige forderung ihrerseits an ihn nicht so richtig erfüllen konnte: er war nicht provokant genug. Und sie erinnern sich an unser letztes telefonat, wo sie mich baten, „halt etwas provokanteres“ zu schreiben! was ich übrigens sehr schätze, weil ich sie selbst als freundin heftiger diskussionen kenne.

nun, da ich es gewohnt bin, mein image als eine art intellektuellen randalierers (der burgenländische kulturnuntius und redakteur einer wochenzeitung hat mir sogar ehrenhafte prädikat „psychopath“ verliehen!) zu hegen und zu pflegen, woimmer es nur geht, musste ich mich zu einer radikalen änderung meines beitrages entschließen. eine sich besonders fortschrittlich gebärdende kulturpolitik, die sich selbst über eine vereinsmäßig konstituierte „kulturoffensive“ einen missionarischen charakter in sachen kultur und menschheit verliehen hat, wird gerne beweisen, dass sei über so viel souveränität und freigeist verfügt, auch meinen diskussionsbeitrag zu veröffentlichen. sie lässt ja sicher nicht nur die notorischen ja-sager zu wort kommen, sondern auch die ebenso notorischen (um nicht zu sagen: manischen) nein-sager und nachpubertären provokateure. sollte die kulturlandschaft nicht völlig langweilig werden (oder bleiben), gehören auswüchse wie die von mir dazu, nicht wahr? Und im übrigen haben sie durchaus ihre funktion: sie beweisen, dass solide und etablierte ansichten den „umstürzlerischen“, „anarchistischen“ ja doch vorzuziehen sind. gar keine frage!

ich kann nun nur hoffen, dass ihnen meine version der burgenländischen landeshymne provokant genug ist! Das honorar dafür (soferne es eines gibt) lass e einer gemeinnützigen organisation zukommen.

Mit freundlichen grüßen, ihr peter wagner

p.s.: mein „beitrag“ ist nur in zusammenhang mit diesem brief zu veröffentlichen. ich bitte sie daher, den brief selbst nicht als an sie persönlich gerichtet zu betrachten!

Eisenstadt, 21. Feber 1981

Lieber Herr Peter Wagner,

wenn Sie mir in Ihrem Brief Bedingungen stellen, darf ich das umgekehrt wohl auch. Auch wenn Ihr Brief nicht an mich als Person gerichtet war, kann ihn doch nur eine Person, zum Beispiel ich, beantworten.

Gehen Sie daher nicht von der Voraussetzung aus, dass ich bei einem Schlagabtausch zwischen Ihnen und mir der Stärkere bin, weil ich als Mitarbeiterin von Landesrat Mader an dessen Macht partizipiere. Ich bin von ihm eingeladen worden, für die von ihm initiierte Tagung zum Thema Heimat ein Sammelwerk zu redigieren, so, wie in der Folge davon Sie von mir eingeladen worden sind, sich an dem Werk mit einem Beitrag zu beteiligen. Ich bin freischaffend wie Sie, und im übrigen ging es bei meinem späten Entschluss dazu nicht um folgendlose Wortduelle.

Zur Sache. Es Sie niemand um etwas „gebeten“ und schon gar nicht darum, etwas zu schreiben, das nur „provokant“ ist. Durchaus nicht wollte ich Sie ermuntern, den Stil Ihrer Diskussionsbeiträge zum Vortrag Manès Sperbers zu verfestigen, denn ich schätze Sachlichkeit. Dass wir „etwas Provokanteres erwarten“, wie ich am Telefon sagte, hieß, dass wir Sie für fähig hielten, neue, nicht abgenützte, auch Widerstand hervorrufende Gedanken in die Diskussion einzubringen. Landesrat Mader konnte ich in mein „Wir“ insoferne einbeziehen, als ich mich daran erinnere, um wie viel besser ihm ihr Beitrag zum letzten Buch gefallen hat als die weitaus „positiveren“ und für einen Politiker vielleicht bequemeren Beiträge. Ich glaube, dass Klischeevorstellungen sogar Politikern gegenüber bedenklich sind.

Wenn Sie sich einbilden, dass ausgerechnet ich Ihnen eine „Rolle“ zugedacht habe, frag ich mich, warum Sie so fügsam waren, sich in diese pressen zu lassen und sich erst nachträglich als briefeschreibender Wadelbeißer an mich anzuschleichen. Oder glauben Sie nicht, dass ein konstruktiv-negativer oder auch konstruktiv-positiver Beitrag zum Thema uns allen doch mehr gebracht hätte als die noch so gescheite Parodie auf die Landeshymne? Zu deren Schöpfer möchte ich Ihnen nur soviel sagen, dass er sich sehr mutig und unter Gefahren eben gegen diesen Faschismus gestellt hatte, dessen Ansätze Sie in ihren Aktionen zu bekämpfen versuchen.

Im Gegensatz zu Ihnen lehne ich es ab, mir eine „Rolle“ zuweisen zu lassen, nämlich die eines kulturpolitischen Aktiven, für den selbst eine anderen gewährte Toleranz nur Mittel zum Zweck ist. Sie können mich zur „Strafe“ für solch einen eingebildeten Missbrauch nicht dazu verdonnern, ihre Hymne mitsamt Ihrem Brief kommentarlos abzudrucken, so dass jeder, der es wollte, daraus ablesen könnte, ich hätte Sie zu der Verunglimpfung provoziert und ich wäre daran schuld, dass Sie diese Beschimpfung geschrieben haben, nämlich anstelle liebevoller heimatlicher Töne. Aber ich will den Schwarzen Peter nicht an Sie zurückgeben: Ihr Beitrag mit Brief wird gerne abgedruckt, wenn Sie damit einverstanden sind, dass auch mein Brief abgedruckt wird. Das entspricht den demokratischen Spielregeln, die doch auch Sie verteidigen wollen.

Ich erwarte Ihre baldige Zu- oder Absage.

Herzliche Grüße und Wünsche für Sie und ihre Familie
Ihre Klara Benigni

sehr geehrte frau benigni!

ich bin mit ihrem vorschlag einverstanden!

beide briefe, ohne änderungen.

sowenig die angelegenheit auch ausdiskutiert ist.

herzlich ihr

(diesmal postkartenschreibender)

wadelbeißer

wagner peter

Die „Landeshymne“ und der Briefwechsel zwischen Frau Klara Köttner-Benigni und Peter Wagner erschien in einem Jubelband anlässlich der 60-jährigen Zugehörigkeit des Burgenlandesd zu Österreich, Herausgeber: Burgenländische Landesregierung.

Die aus der Veröffentlichung resultierende Erregung ist dokumentiert in

Die Burgenländische Landeshymne. Eine Erregung