Fledermäuse
Stück von Peter Wagner
Uraufführung am 8. September 1989 im Theater Am Ort im Innenhof
Besetzung: King Ego – Peter Wagner; Spiegel – Iris Mündl; Silberne Frau – Irene Koller-Bertha; Rote Frau – Marika Bertha; Schwarze Frau – Ingrid Koch; Tschakkel 1 – Ernst Eigenbauer; Tschakkel 2 – Wolfgang Horwath; Lena – Solveig Höller; Kameramann – Hans Panner;
Technik: PASS ; Produktionsleitung: Hans Panner; Licht: Gerhard Duffek; Video-Technik: Hans Peindl
Musik, Bühne und Regie: Peter Wagner
Inszenierung >>
Inhalt
Die Dramaturgie des Stücks „Peter Wagner Fledermäuse“ kann man in gewisser Weise mit „Bilder einer Ausstellung“ vergleichen: der Zuseher/hörer wird an einer Reihe von Bildern vorbeigebracht, wovon jedes alleine für sich existieren könnte, alle zusammen jedoch in ihrer bewusst gesetzten temporären Abfolge ein mentales Erlebnis provozieren, für das aber in letzter Konsequenz jeder einzelne selbst sorgen muss.
Die Fledermäuse stehen metaphorisch für die dunklen Flüge der Nacht, für die Halluzinationen zwischen Wachsein und Traum. King Ego ist der Träumende, alle anderen Figuren versinnbildlichen rückbezügliche Projektionen des Träumenden – ausgehend von der Grundthese der Psychoanalyse, dass jede in einem Traum auftauchende Person eine Facette des Träumenden darstellt. So bewegen sich Figuren und Bilder (Träume) im Spannungsfeld zwischen Bewusstsein und Unbewusstem, Ratio und Erotik, Kalkül und Berechenbarkeit. Nachgegangen wird dabei ebenso der Frage nach der Beziehung zwischen dem (männlichen) Ego und seiner weiblichen/männlichen Wirklichkeit, wie der Suche nach der traumatischen Verbindung von Macht und Persönlichkeitsebenen im Menschen, die politische Machtstrukturen ermöglichen bzw. provozieren.
Was sich der Zuseher letztlich aus diesem Untergrund herausholt, kann einzig seiner Bereitschaft zur Selbstschau und dem sensiblen Umgang mit seinen verborgenen Dimensionen vorbehalten sein. Letztendlich bleibt es das Ziel dieser Produktion, vermittels der Dynamik eines ästhetischen Erlebnisses in den psychischen Eingeweiden seines Zuschauers/hörers zu wühlen und ihm dadurch ein wie auch immer empfundenes Lustgefühl zu vermitteln.
Pressestimmen
Werner Schandor, NEUE ZEIT GRAZ: Multimediale „Fledermäuse“ – Schräge Träume als Theater Im Innenhof seines Vierkanters in Deutsch Kaltenbrunn Berg (Bezirk Güssing, über Fürstenfeld erreichbar) hat der 33-jährige Schauspieler, Musiker und Autor Peter Wagner alte, kahle Bäume aufgestellt, Videomonitore und Lautsprecherboxen installiert und eine Hängebrücke von Dach zu Dach geschlagen. Damit schuf er sich die Freilichtbühne für sein experimentelles Theaterstück „Fledermäuse“, das am Samstag zum zweiten Mal vor vorwiegend einheimischem Publikum aufgeführt wurde.
Mit Batman hat das nichts zu tun, schon eher mit Siegmund Freud, denn die „Fledermäuse“ hat sich der Burgenländer aus seinen nächtlichen Träumen zusammengebastelt. Dementsprechend vielschichtig, irritierend und faszinierend ist das Stück: Acht Darsteller agieren zwei Stunden lang wortlos im Innenhof. Auf den Bildschirmen über ihren Köpfen wechseln die Übertragung des Bühnengeschehens und oft alptraumhafte Videoeinspielungen einander ab. Und über die Lautsprecher kommt noch eine dritte, akustische Handlungsebene in Form von Rocksongs ins Spiel. Gemeinsam laufen sie gegen jede Logik und überfluten den Zuschauer mit Eindrücken, denen man hilflos ausgeliefert ist, weil sich ihre Vielzahl gedanklich nicht mehr verarbeiten lässt.
Im Mittelpunkt der theatralischen Ebene steht King Ego (Peter Wagner), das Ich, um das sich alles dreht: Drei Frauen, ein Mädchen und zwei Hilfstschakkel (Marika Bertha, Irene Koller-Bertha, Ingrid Koch, Solveig Höller, Ernst Eigenbauer und Wolfgang Horwath) scharen sich um King Ego, entführen, bedrohen und liebkosen das Ich. In der Ecke sitzt ein Spiegel (Iris Mündel) und nimmt Notiz. King Ego stirbt im Lauf des Abends sieben Tode und lebt trotzdem weiter. Man konnte ihm „seine Narrheit nicht von der Seele schaffen“, heißt es in einem der letzten Lieder.
Diese Andeutungen sind klar und sprechen für den Lebenswillen von Peter Wagner. Doch das restliche Geschehen, die ständigen Verwandlungen und Überschneidungen der optischen, akustischen und theatralischen Ebenen zieht den Zuschauer in seinen Bann wie ein wilder Traum, von dem nach dem Aufwachen nichts übrig bleibt als ein seltsames Gefühl.
In und trotz und gerade wegen all der packenden Verwirrung verdeutlicht Peter Wagner, von dem zur Zeit im Kieler Schauspielhaus ein anderes Stück läuft, dass es auch Theater gibt, das sich der Sprache entzieht und dadurch mitten ins Schwarze einer Traumnacht trifft.
Pressestimmen
Claudia Taucher, KLEINE ZEITUNG GRAZ: King Ego auf dem Trip
King Ego Peter Wagner thront auf seinem Stuhl, lässt sich gnädig die Stiefel von der schwarzen Frau kosen. Die Fledermäuse, die währenddessen in seinem Kopf kreisen, haben längst die Orientierung verloren.
Das mit großem Aufwand inszenierte Innenhof-Projekt „Peter Wagner Fledermäuse“ in dem burgenländischen Deutsch-Kaltenbrunn-Berg verdient des Meisters eigene Mutmaßung, eine „narzistische Orgie“ zu sein. Für viele Zuseher wahrscheinlich eine Feststellung, dient diese Erkenntnis nicht gerade der Befriedigung des Publikums, das sich lieber mit Anregungen als mit Ratlosigkeit in der Tasche von den Sesseln erheben möchte.
Das multimediale Spektakel setzt sich aus drei Ebenen zusammen, die zumeist thematisch und inhaltlich hart kollidieren. Da ist zum einen die nonverbale, schauspielerische Ebene auf der Bühne, zum anderen Musik und Geräusche aus den Lautsprechern, und schließlich zeigen – simultan dazu – Monitore teils das Geschehen auf den einzelnen Bühnenstationen, teils geben sie Ausschnitte aus dem Fernsehen wieder. Durch diese Überschüttung an Eindrücken entsteht für den Zuseher eine chaotische Atmosphäre, die bis zum Ende die einzige bleibt. Eine Irritation ist von Peter Wagner durchaus beabsichtigt, jedoch verschweigt er den Zweck dieser. Hier setzen die eindeutigen Schwächen des Stücks – eine Geburt, die nicht schmerzt und nichts gebiert – ein. Durch das rohe Spiel der Mitwirkenden und die großteils überflüssigen Videoeinspielungen werden leider in die durchaus ansprechende musikalische Ebene, deren Texte politischen Engagement und Poetik transportieren, Kluften geschlagen, in die das überforderte Publikum gezwungenermaßen stolpern muss. Der Inhalt, der eine unglückliche Mixtur aus Traumwelt und Beschäftigung mit Macht und Mythos darstellt, ist einerseits zu wenig traumhaft, andererseits zu wenig deutlich und zu flach in der politischen Aussage. Peter Wagner möchte weder plakative Gebrauchsanweisungen noch Antworten liefern, vergisst dabei aber, dass er mit seiner fehlenden Liebe zum Detail auch keinerlei Anregungen geben und produktive Fragen aufwerfen kann. Das Stück gibt sich durch scheinbar symbolhafte Szenen bedeutungsschwer, stellt sich aber als funktionslos heraus, da niemand Peter Wagners privates Geheimnis enträtseln kann.
BF: „Fledermäuse“ heißt Peter Wagners vielschichtes, faszinierendes und irritierendes Stück, das derzeit im Deutsch Kaltenbrunner Vierkanter des Autors aufgeführt wird und die Zuschauer begeistert und verwirrt und ratlos hinterlässt.
Auf drei Ebenen – auf wortloser Pantomime, auf Videoeinspielungen von Bildschirmen aus und auf eingespielten Rocksongs – hat es Peter Wagner aufgebaut, und unlogisch und zusammenhanglos rollen die Alpträume des „King Ego“ – sie sind die im Titel beschworenen „Fledermäuse“ – ab. Als einen „existenziellen Kampf des Schriftstellers gegen seine Innenwelt“ sehen die einen diesen „Wilden Traum“, den Peter Wagner – sieben Tode sterbend und dennoch weiterlebend – träumt und in den er in zwingenden Bildern auch den Zuschauer zu verstricken trachtet.
Dass ihm das mit diesem – in jedem Sinn – starken, ungewöhnlichen Stück schockierenden Theaters weithin gelungen ist, beweisen die Reaktionen des Publikums, die vom Nachdenken bis zum Aufgerührtsein reichten.