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HugoHugo
Oder Die Macht der Ausweise

Rockoper
Stück und Idee: Peter Wagner / Musik: Jan Sokol
Uraufführung: 20. Mai 2000, KUZ Güssing, Produktion: musical guessing
Weitere Vorstellungen auf der Burg Güssing, August/September 2000
Kostüm- und Ausstattungsentwürfe: Henryk Rys Mossler; Musikalische Leitung: Josef Naray; Licht: Alfred Masal; Produktionsleitung: Marianne Resetarits
In den Hauptrollen: Jan Sokol (HugoHugo), Dr. Kurt Resetarits (Watschenmann); Arthur Fandl (Beamter); Gerhard Duffek: Straßenkehrer; Eveline Rabold (Madame LeChef); Karl Petz (Melancholiker), Willi Resetarits (virtueller Erzähler); sowie über 100 weitere Mitwirkende.
Regie: Peter Wagner
Alle Rechte für das Gesamtstück bei Autor und Komponisten.

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Inhalt

Eines Tages, nachdem es sich von den Farben aus einer gefundenen Glasmurmel faszinieren hat lassen, beschließt das Skelett Hugo Hugo, aus der Geisterbahn im Prater auszubrechen und die Welt der Menschen „draußen“ kennenzulernen. Sein Wegbegleiter wird der Watschenmann, der sich auch ein anderes Leben vorstellen kann, als immer nur geschlagen zu werden.

Gemeinsam lernen die beiden eine ganze Typologie von Gespenstern kennen, die alle unter die Kategorie „Menschen“ fallen und doch eigentlich die wirklichen, die besseren, die verzweifelteren „Monstren“ sind. Während Hugo Hugo ein kindlich-naives Temperament bleibt und sich bis zum Ende hin nicht verderben läßt von einer Welt, die es offenbar nur noch aufs Geld abgesehen hat, ist der Watschenmann trotz seines Holzkopfes flexibler. Schnell kapiert er, worauf es ankommt, nämlich auf die Macht der „Ausweise“ (womit Geldscheine gemeint sind). Am Ende hat er Hugo Hugo als vermeintliche Zirkusattraktion nicht nur gewinnbringend verkauft, sondern sich mit dem Gewinn auch die Geisterbahn im Prater zugelegt und in einen „Watschenmann-Saloon“ verwandelt. Als Hugo Hugo zurückkehrt, findet er Gegebenheiten vor, die ihn zwingen, noch einmal in die Welt zu gehen und diesmal eine andere Welt zu finden, eine nach seinem eigenen Geschmack.

Entstehung

Anfang der Achtziger Jahre regte der damalige Leiter des ORF-Familienfunks im Studio Burgenland, Kurt Lauermann, beim Autor Peter Wagner eine zweiteilige Märchensendung an. So entstand die Geschichte vom „Skelett Hugo Hugo“, die von Michael Heltau kongenial fürs Radio gelesen wurde. Schon Ende der Achtziger Jahre zeigte das Wiener Theater der Jugend Interesse an der Adaption des Stoffes für ein Musical, das dann aus diversen Unstimmigkeiten zwischen Autor und Dramaturgie wieder fallengelassen wurde.

Zehn Jahre danach interessierte sich das musicalvernarrte Güssing in der Person des Josef Naray für den Stoff und beauftragte Peter Wagner und Jan Sokol mit der Erarbeitung eines Musicals, das unter dem Titel „Hugo Hugo oder Die Macht der Ausweise - Eine Gespensteroper“  im Frühjahr 2000 im Kultur-Zentrum Premiere haben wird, ehe es im Spätsommer auch auf der Burg Güssing zu sehen sein wird.

Besonderheit

Das Theaterprojekt „Hugo Hugo“ setzt nicht auf Sommertheater der landab landauf üblichen Schemata. Bei der Umsetzung geht es in erster Linie um weit reichende Vernetzungen kreativer Angebote, die vom professionellen Background in den Bereichen Dramaturgie, Regie, Musik, Kostüm, Bühne, Technik, Organisation bis zur Umsetzung durch engagierte, bühnenerprobten Laien (in Verbindung mit wenigen Darsteller-Profis) und generellen Bühnenneulingen aus der Schulstadt Güssing reicht. Damit wird zweierlei bewirkt: einerseits wird dem Publikum eine Aufführung auf dem erforderlichen Niveau des künstlerisch-professionellen Theaters geboten, andererseits verströmt die aus seiner Originalität schöpfende Kunst der Laien eine Aura, die von ihrer speziellen Direktheit und ihrem unbedarften Engagement lebt.


Textauszug

 

BILD 2: DER WATSCHENMANN

ERZÄHLER: Fort ist er. Entschwunden in die anthrazitschwarze Nacht. Hugo Hugo, das beseelte Gestell aus kalten, brennenden Knochen, auf der Suche nach dem Leben der Farben, die in der Murmel saßen und so taten, als warteten sie einzig auf ihre Befreiung. Von Farben war zunächst nicht viel zu sehen, die Stadt des Vergnügens hatte für heute die Pforten geschlossen. Einzig die Lichter hinter den geschlossenen Vitrinen der Spielhöhlen weigerten sich, das Gebot der Nachtschlafenheit einzuhalten. Nun, von niemandem beobachtet, für niemanden verfügbar, träumten Big Star Euroflopp, Cirqus Voltaire, Wallstreet Crash und Monster Bash ihren eigenen Traum von Reichtum und Glück, von den Segnungen des Jackpots und der Schwerelosigkeit der Millionen. O ja, ich kenne euch, sagte Hugo Hugo - und er meinte die Lichter der Glücksautomaten! Ihr seid gewiss die Sterne. Einst hörte ich den Menschenfreund im Schlafe sprechen. Das schönste, was die Finsternis der Welt zu bieten hat, sagte er, ist ein Himmel voller Sterne. ... Haha-haha! Was bist denn du für einer? Sagte da plötzlich eine Stimme mitten in die Dunkelheit der Nacht hinein.

WATSCHENMANN (steht auf einem Thronpodest, polternd:)
            Hast du einen Kopf zum Tragen
            Hast du dicke gute Schuh
            Hast du ein Gesicht zum Schlagen
            Dann geh nur immer zu!

HUGO HUGO: O, guten Tag, Herr Mensch

WATSCHENMANN:
            Ja was bist du für ein feiner
            Du mit deinem Knochenkinn
            Willst du allen Ernsts behaupten
            Du weißt nicht, wer ich bin?

HUGO HUGO: Gewiss weiß ich es. Du bist doch ein Mensch?

WATSCHENMANN: Hahahaha, ein Mensch, köstlich!

HUGO HUGO (verlegen): Bist du denn keiner?

Lied des Watschenmannes

WATSCHENMANN:
              Ich hab zwei dicke Backen
              Und eine rote Nas
              Auf beides nimmt der Profi
              Am häufigsten sein Maß
                       Dann schlägt er ganz gezielt
                       Meist mit der flachen Hand
                       Und wenn er richtig trifft
                       Braucht er nachher kan Verband
              Und hat dich heut dein Chef
              gefeuert, dieser Blödel,                       
             Dann komm zu mir und denk dir
            Ich wär dem Chef sein Schädel

                       Patsch (bumm!), einen Haken rechts
                       Patsch, einen Haken links
                       Links (bumm!), rechts (bumm!)                       
                       Rechts, links und wieder links
                        Peng, eine auf das Aug
                        Macht nix, ich bin nicht eitel
                        Und eine auf das Kinn (bumm!)
                        Und noch eine auf den Scheitel (bumm!)           
                        Wenn schon, sag ich, denn schon
                        Dann gleich a komplette Fuhr!
                        Ich bin der Watschenmann,
                        Die weltberühmteste Figur!

               Ich spreche aus Erfahrung           
               Den Menschen geht es schlecht
                Und wenn sie nix dagegentun
                Gehts ihnen schlecht erst recht!
                        Da stauet sich die Aggression
                        Bis daß der Damm dann bricht
                        Dann gibts a Blutbad und
                        In der Krone an Bericht
                 Drum Leute seids gescheit
                 kommts lieber gleich zu mir
                 Spucks in die Händ und hauts mich
                  Ich bin ja da dafür!

                          Hau mich, ach bitte bitte hau mich
                          So lautet denn mein Werbespruch
                          Ein guter Spruch, ein guter Spruch
                          Komm her zu mir auf ein´ Besuch!
                          Und hau mich, ach bitte bitte trau dich!
                          rau dich, ach bitte bitte hau mich!
                          Lang nur völlig ungezwungen zu -
                          Besser fühlst du dich, du Wurm, im Nu!

WATSCHENMANN: Wer hat noch nicht, wer will noch mal! Anstellen, meine Herrschaften, nicht vordrängen, es kommt jeder an die Reihe, kommen sie, mein Herr. (Mürrisch zu Hugo Hugo.) Du bist ja noch immer da. Ich muss schlafen. Morgen ist Familiennachmittag, da gibts besonders viel zu tun.

HUGO HUGO: … tut denn das nicht weh, wenn man so oft geschlagen wird?

WATSCHENMANN: Was! Wie! Weh! Banause du! Kretin! Motherfucker!

HUGO HUGO: So habe ich mir die Welt der Menschen nicht vorgestellt. Dass man dauernd eines ins Gesicht bekommt … Was hast du? Hab ich was gesagt, das dich verletzt?

Lied des Watschenmannes – Reprise

WATSCHENMANN:
           Du hast ja keine Ahnung
            Wie die Menschen wirklich sind
            Die Wucht, mit der sie zuhaun
            Erschlagt ein ganzes Rind!
                    Du hast ja keine Ahnung
                    Wie weh das oftmals tut
                    Und hätt ich nicht an Holzkopf
                    Man ersöff in meinem Blut
             Meist lacht man mich noch aus
             So laut als man nur kann
             Und hat man mich geschlagen
             Stellt man sich hinten an
                      An guten Tagen kommen
                      So an die hunderttausend Leut                       
                      Ein jeder will mich hauen
                       Und so ein Tag ist heut!

              Patsch (bumm!), einen Haken rechts
              Patsch, einen Haken links
              Links (bumm!), rechts (bumm!)
              Rechts, links und wieder links
              Peng, eine auf das Aug
              Himmel, dabei bin ich so eitel
              Eine auf das Kinn, o weh (bumm!)
              Und noch eine auf den Scheitel (bumm!)
              Wenn schon, sagt man, denn schon
              Dann gleich a komplette Fuhr!
              Weißt jetzt, was ein Mensch ist?
              Die miserabelste Kreatur!
              Weißt jetzt, was ein Mensch ist?
               Die miserabelste Kreatur!!

HUGO HUGO: Es sind gewiss nicht alle Menschen so.

WATSCHENMANN: Alle, alle sind sie so!

HUGO HUGO: Glaub ich einfach nicht! Was hältst du davon, dich ab heute einfach nicht mehr schlagen zu lassen! Du kommst einfach mit mir! Wir werden die Welt der Menschen kennen lernen!

WATSCHENMANN: So! Und wer steht dann hier - statt mir?

HUGO HUGO: Ein ... anderen Holzkopf eben!

WATSCHENMANN: Ein anderer Holzkopf ... hier an meinem Platz?!

HUGO HUGO: Zuerst einmal kriegst du einen anderen Namen.

WATSCHENMANN: Ist Watschenmann vielleicht kein schöner Name nicht?

HUGO HUGO: Aber du bist ab jetzt kein Watschenmann mehr!

WATSCHENMANN: Wer sagt das!!

HUGO HUGO: Welcher Name gefällt dir?

WATSCHENMANN: Äh ... wenn ichs mir recht überlege, dann wäre mir am liebsten der Name ... Watschenmann!

HUGO HUGO: Willst du vielleicht ... Vampir heißen?

WATSCHENMANN: Vampir?

HUGO HUGO: Oder Menschenfreund? Oder Rotkäppchen?

WATSCHENMANN: Äh ... neulich war ein kleines Mädchen hier. Das hat mich an der Hand genommen und gesagt: Freust du dich auch so auf das Christkind wie ich? ... Ich möchte Christkind heißen, so ein schöner Name!

HUGO HUGO: Christkind, wunderbar!

WATSCHENMANN: Oh, wirklich? Ich heiße ab jetzt Christkind Watschenmann?

HUGO HUGO: Nur Christkind!

CHRISTKIND: Nur Christkind?

HUGO HUGO: Komm, Christkind! Es brennt in meinen Knochen! Läuft davon.

CHRISTKIND: Christkind? Christkind! He, warte! Eines wollte ich vorher noch klären: sollte dich irgendwann irgendjemand schlagen wollen … darf ich dann den Kopf für dich hinhalten? … Warte!

(Er läuft Hugo Hugo nach.)