Über Pendler und andere Fremdlinge
Uraufführung von Peter Wagners „Lafnitz“ im Ensemble Theater
Glück muss man haben. Sechs Wochen vor dem Ausbruch des Aufstandes gegen das Ceausescu-Regime in Rumänien, hatte der 1956 geborene burgenländische Autor Peter Wagner sein Stück „Lafnitz“ über Frauen, Pendler, Flüchtlinge und einen Mord in einer kleinen Gemeinde fertig gestellt. Der Sessler-Verlag griff sofort zu, kurz darauf das Ensemble Theater, wo nun am 4. April die Uraufführung stattfindet.
Glück? Den Autor stimmt die Nähe zur Aktualität eher bedenklich: „Ich wollte ursprünglich gar kein Flüchtlingsstück schreiben, sondern über ein Dorf und ein Biotop, das dort wächst, gedeiht und zerstört wird.“
Mit und im Dorf lebt Wagner seit seiner Kindheit. Zunächst ungarischsprachig aufgewachsen, sein Vater unterrichtete diese Sprache, lernte er mit sechs Jahren Deutsch. Das Idiom seiner Kindheit hat er heute weitgehend vergessen. Von früh an wollte er Schriftsteller werden, mit 18 war er Hörspielautor, mit 19 erhielt er ein Nachwuchsstipendium. Dann kam der Knick und die Krise. Er hörte auf zu schreiben, beschäftigte sich mehr mit Musik, vor allem mit Jazz. Erst Ende der zwanzig kehrte er zu seiner ursprünglichen Leidenschaft zurück.
Auf dem Land zwischen Oberwart und deiner Heimatgemeinde Deutsch-Kaltenbrunn verwirklicht er nun seine Theaterprojekte, die immer an anderen Orten und mit andern Darstellern realisiert werden, eine jener vielen regionalen Kulturinitiativen, mit deren Förderung sich jetzt sogar ein Ausschuss im Parlament beschäftigt: „Für mich ist diese Arbeit sehr schön, weil ich da einen Dschungel durchforsten kann, den noch niemand durchquert hat.“
Bei „Lafnitz“ hat sich Wagner, der bisher fast ausschließlich seine eigenen Stücke inszenierte, ganz in die Hand von Regisseur Dieter Haspel begeben. Erst ei der Generalprobe wird er das Ergebnis sehen und er fürchtet sich schon jetzt ein wenig vor der natürlichen Kluft zwischen Fiktion und Bühnenrealität.
„Lafnitz“, das beim Lesen Bilder aus der letzten Produktion des Serapionstheaters „Kispotlatsch“ heraufbeschwört, ist kein politisches Stück. Es zeigt Menschen in einem vergessenen Eck der ländlichen Welt: Lebenslustige, Verzweifelte, Verstörte, Zerstörte, zwei rumänische Flüchtlinge, die auf ihre Papiere warten und Kinder, die das Geschehen kommentieren und am Ende die Opfer sind, nicht die einzigen in einer besinnlichen in Wahrheit aber trostlosen Umgebung.
„Krieg der Frauen“ hätte das Stück ursprünglich heißen sollen, „ein Rachestück gegen die geballte Ladung bäuerlicher Weiblichkeit“, mit der sich Wagner konfrontiert fühlte, als er vor Jahren mit seinem kleinen Sohn daheim den „Hausmann“ zu spielen hatte.
Aber dann kam anderes dazu, die Regulierung des Flusses, nach dem das Stück jetzt benannt ist und eben die Flüchtlingsproblematik, die Wagner auch persönlich sehr beschäftigt: „Ich kann nicht verstehen, warum Menschen, die sich von der materiellen Not entfernt haben, nicht fähig sind die anderer nachzuvollziehen. Ich meine nicht Mitleid, sondern das tiefe warmherzige Verstehen, das offenbar abhanden gekommen ist. Es fehlt aber auch an Politikern, die einmal den ‚Crash’ riskieren und sich klar gegen die Fremdenfeindlichkeit äußern, die übrigens meiner Meinung nach sehr viel mit der generellen Angst vor Berührung und ja auch vor der Sexualität zu tun hat.“
Barbara Petsch, DIE PRESSE