Adi gusch!
Das Märchen der Musik op. 5
Film von Peter Wagner
„Adi gusch!“ – Buch, Regie und Produktion: Peter Wagner / Mit Christoph F. Krutzler
Kamera: Christin Marie Veith / Schnitt: Max Leimstättner / Ton: Erich Steiner / Licht: Markus Kloiber und Walter Klose
DV-Cam, Stereo, 60 Minuten – Österreich 2002
Peter Wagner´s EROS KADAVER FILM. Kopie des Filmes auf BETA SP
Peter Wagners filmische Hommage an einen oberwarter Rom, der schon seit über 20 Jahren tot ist – und trotzdem nicht sterben kann.
Mitte August wurden die Dreharbeiten zu Peter Wagners neuestem filmischen Werk „Adi gusch!“ im Gasthaus Holzer am Tschaterberg abgeschlossen. Seit Anbeginn seiner künstlerischen Arbeit sind dem Schriftsteller und Regisseuer die Roma seiner Heimatgemeinde Oberwart sowie des gesamten Südburgenlandes ein besonderes Anliegen. 1974 schrieb der damals 18jährige das Hörspiel „Purdi Pista sagt, die Cymbal ist tot“, das in vier verschiedenen Inszenierungen in Österreich, BRD und Slowenien gesendet wurde. Es reflektiert in einer Art Selbstgespräch des oberwarter Zigeuners Stefan Horvath, vulgo Purdi Pista die gesellschaftliche Wirklichkeit der nicht nur durch Auschwitz gebrandmarkten Roma.
Peter Wagner wörtlich: „Als Kind hatte ich - da auch ich am Telek wohnte, keine dreihundert Meter von seinem Haus entfernt - somanche Begegnung mit diesem unheimlichen, faszinierenden Zeitgenossen, der aus dem Nichts aufzutauchen pflegte, irgendwo auf der Straße, um im Nichts zu verschwinden. Ich fürchtete mich vor ihm, ich träumte von ihm, schließlich verfiel ich ihm. Ab meinem vierzehnten Lebensjahr besuchte ich ihn so regelmäßig wie heimlich: meine Eltern durften jedenfalls nicht wissen, dass ich mich Nachmittag für Nachmittag wie ein Süchtiger ins Haus des Zigeuners Stefan Horvath schlich, um dort die Welt zu erfahren. ´Kennst du Auschwitz?´ fragte er mich. Und er war irritiert, daß ich es nur vom Hörensagen kannte. ´Auschwitz ist die Hauptstadt von der Welt!´ Und er strickte den Hemdsärmel hoch und zeigte mir die Welt in Form einer eintätowierten Nummer.
Das war Unterricht, wie ich ihn anderswo nicht bekam. Nie wieder bekommen sollte.
Als ich das Hörspiel ‚Purdi Pista sagt, die Cymal ist tot' 1974 begann und ein Jahr später abschloss, lebte der kleine, knorrige Zigeuner in Oberwart noch. Ich hatte versucht, seine Sprache zu benutzen, wie ich sie verstanden hatte, und sie gleichzeitig verändert. Als das Hörspiel 1975 erstmals im ORF gesendet wurde, lebte Purdi, das Original, noch - und wie! Er wollte das Radiogerät aus dem Fenster schmeißen, weil er nicht verstand, weshalb da jemand seine Geschichte mit fremder Stimme sprach."
Der Autor musste sich damals nicht nur Lob sondern auch harsche Kritik gefallen lassen. Insbesondere von gesellschaftlichen Meinungsträgern wurde ihm vorgehalten, „alte Geschichten“ aus zu graben, schließlich sei „das alles“ längst vorbei und heutzutage sicher nicht mehr möglich. Ein gewisser Franz Fuchs hat sich zwanzig Jahre später ausgerechnet Oberwart ausgesucht, um das Gegenteil zu beweisen ...
Mit dem Film "Adi Gusch!" gestattete Wagner sich 27 Jahre später ein neuerliches, äußerst geglücktes Rendezvous mit dieser Figur. Es ist eine Mischung aus Selbstgespräch, Erinnerungen und direkt an den Zuschauer gerichteten Äußerungen eines Noagerltrinkers. Obwohl er seit über zwei Jahrzehnten tot ist, kann Purdi Pista nicht sterben, so lange es noch viel zu viele unerledigte Reste (Noagerln) auf der Welt gibt. Und so fühlt er sich dazu verurteilt, von einem Wirtshaus zum anderen, von einem Fest zum anderen zu wandern und dort die Noagerln aus zu trinken – in der freilich absurden Hoffnung, am Ende seiner gewaltigen Mission in Frieden ruhen zu können. Er erscheint uns als die Körper gewordene Erinnerung an die Tatsache, dass es uns nicht gelungen ist, nach der Menschheitskatastrophe von Auschwitz eine Welt die schaffen, die tatsächlich besser, friedlicher und toleranter geworden ist. „Jawoi, ich bin zruckkehrt, ich da Purdi, da ewiche Zigeina, da schwoaze Schodn auf eichara Söö“, sagt er, trinkt den stehen gelassenen Rest in einem Glas aus und geht zum nächsten.
Bei der Auswahl des einzigen Darstellers hatte Peter Wagner eine glückliche Hand. Der erst 25jährige Schauspieler und Nicht-Rom Christoph F. Krutzler aus Kemeten, dem Nachbarort Oberwarts, aus dem ebenfalls Dutzende Romafamilien nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen verschleppt wurden, überzeugt durch sein selbstbewußtes Spiel und die niemals versiegende Präsenz, mit der er aus der literarischen Figur des Purdi Pista eine Art „Herr Karl der anderen Seite“ macht.
ROMANI PATRIN, Nr 3, 2002
Wenn ein Schriftsteller die Kinoleinwand für sich entdeckt
Als im Jänner vergangenen Jahres "Hugo Hugo oder Das Auge der Götter" erstmals über die Leinwand flimmerte, feierte Peter Wagner nicht nur die Filmpremiere seines zunächst auf der Burg Güssing als Musical aufgeführten Werkes. Es war auch für ihn selbst, für den Autor und Regisseur, eine Premiere: "Es war mein erster Film überhaupt", so der in Litzelsdorf lebende Künstler.
NEUES Seither entstanden bereits zwei neue Filme: "Adi Gusch!" wurde schon in Wien präsentiert - die burgenländische Premiere soll noch diesen Winter stattfinden - und der Roadmovie "Mein Engel, mein Land" liegt auch bereits fertig geschnitten bei ihm zu Hause.
Doch Wagner blieb auch den Brettern, die die Welt bedeuten, treu: Sein vom Offenen Haus Oberwart produziertes und vom KURIER unterstütztes Theaterstück "Wenn wir einmal Engel sind" sahen Tausende von Jugendlichen im Burgenland, Graz und Wien. Wagner setzte sich dabei mit der von Selbstzweifeln und Unsicherheit geprägten Welt der Jugendlichen auseinander. "Es war eine Sache, die weder Jung noch Alt in Ruhe ließ", beschreibt der Autor, der sein Stück selbst in Szene setzte.
Dem leichten Amüsement dient auch der Film "Adi Gusch!" nicht. Er handelt von einem Oberwarter Rom, der zwar tot ist, doch die Erde nicht verlassen kann, ehe er nicht alle "Noagerln der Welt" (Getränkereste im Glas, Anm.) ausgetrunken hat. So zieht er - Stefan Horvath - mit seinem Hund Adi durch ein Wirtshaus, und lässt seinem Unmut über die Welt freien Lauf. Die Hauptrolle spielt der junge Schauspieler Christoph F. Krutzler.
LEBENSWEISHEIT Peter Wagner hatte Stefan Horvath als Jugendlicher kennen gelernt. Der Rom hatte in Auschwitz seine Familie verloren. "Er erzählte mir von Dingen, von denen ich damals keine Ahnung hatte. Ich hab' von niemandem so viel Lebensweisheit lernen können, wie von ihm", erklärt Wagner, der ihm bereits mit 18 ein Hörspiel widmete.
Ein Streifen mit Tiefgang ist auch der "No-Budget-Film" - wie ihn Wagner nennt - "Mein Engel, mein Land". In dem Roadmovie spielt er selbst mit Eveline Rabold. Bei einer Verfolgungsjagd - er jagt sie - geht es vorbei an Burgen und Schlössern durchs ganze Land. Sie streifen Frauenlegenden von der Rosalia bis hin zur Weißen Frau von Bernstein - und damit Mythen und Klischees über Frauen.
Ein weiteres Werk, mit dem Wagner zum Nachdenken bringen will? "Es wäre mir zu einfach zu sagen, dass ich zum Nachdenken anregen will. Denn, wenn Konflikte der Menschheit sichtbar gemacht werden, passiert mit den Menschen, die zusehen, automatisch etwas. Mir ist es wichtig, Geschichten zu erzählen."
Viktoria Erdélyi, KURIER