Die eiserne Grenze
Das Märchen der Musik op. 11 / op. 23
Spielfilm von Peter Wagner, Ö 2008, 90 min,
In den Hauptrollen: Michaela Hurdes-Galli und Christoph F. Krutzler.
In Nebenrollen: Alexander Benkö, Monika Hegedüs Nemeth, Zsolt Major, Bastian Schachenhofer, László Somogyi und Katharina Tiwald
Musik: Gerald Schönfeldinger / Kamera: Mario Minichmayr / Buch und Regie: Peter Wagner
Unabhängige Autorenfilmproduktion - Peter Wagner`s EROS KADAVER FILM 2008
Philosophie zur Wahrung künstlerischer Unabhängigkeit
Unterstützt vom der BKA-Filmförderung und dem Land Burgenland.
Zwischen der Idee für "Die Eiserne Grenze" und dem fertigen Film liegen 17 Jahre, zwischen dem ersten Dreh und dem Endprodukt immerhin 3 Jahre. Es war speziell die österreichisch-ungarische Grenze im Südburgenland, die den Autor Peter Wagner schon in Kindes- und Jugendtagen so intensiv beschäftigt hatte: beinahe jeden Sonntag war er mit seinem Moped nach Rechnitz oder Eisenberg gefahren, um dort stundenlang über jenen Zaun zu sehen, der angeblich ganze Machtblöcke und ideologische Welten trennte. War es nicht zugleich auch eine metaphysische Grenze gewesen, jener Ort des Verborgenen und Verbotenen, der diese obskure Anziehung, ja Faszination ausmachte?

Der nun entstandene Film ist das Produkt des Wachküssens einer alten Erinnerung, wenn auch auf stilisiert anderer Ebene: die Machtblöcke toben sich in der An- und Beziehung der Geschlechter aus, die propagierte Suche nach einander ist mit einem profunden, genauso persönlich wie ideologisch geprägten gegenseitigen Mißtrauen unterfüttert, das aber seinerseits wieder den Reiz aller Anziehung ausmacht. Immerhin aber scheint das dort an diesem durchwachsenen Ort gepflegte Missverständnis zumindest nach einem kleinen Punkt von Wahrheit zu schielen: es könnte das Missverständnis selbst die Wahrheit sein, in der kleinen, unscheinbaren Begegnung zweier Menschen inmitten größerer welthistorischer Bewegungen genauso wie in der historischen Wende selbst, da man in Wiedervereinigungen geht wie in Ehen, die schon nach den ersten Monaten einer Prüfung an der Realität der vermeintlichen Siegermacht zu scheitern drohen.
Inhalt
Sommer 1989. Die Tagesnachrichten im Österreichischen Fernsehen melden eine Massenflucht von DDR-Bürgern über die österreichisch-ungarische Grenze, wie sie seit dem Berliner Mauerbau nicht mehr stattgefunden hat. Mehrere Hundert Menschen hatten die Gelegenheit genutzt, sich im Zuge eines sog. "Paneuropäischen Picknicks" mehr oder weniger unbehelligt über die Grenze zu bewegen und im goldenen Westen zu landen. In den Folgetagen wird die Grenzkontrolle seitens der ungarischen Behörden verstärkt, was aber nicht verhindern kann, dass immer mehr DDR-Bürger versuchen, illegal das ohnehin nicht überwältigende Konstrukt des Grenzzaunes zwischen Österreich und Ungarn zu überwinden.
Aus einer gewissen Neugierde heraus und nach Sichtung von Fotos einer Kirchenruine, die direkt an der Grenze steht, wagt sich eine junge Volksschullehrerin durch unwegiges Gelände an diesen Grenzzaun heran. In ihrem Antrieb steckt wohl auch eine gewisse Fadesse, denn die gebürtige Wienerin hat die Stelle in einem Kaff am Ende der Welt nur angenommen, weil sie in Wien selbst keine finden konnte und sich für die Stelle in diesem Ort sonst niemand interessiert hatte.
Nun steht sie unbedarft vor einer Grenze, die wie ein etwas zu hoch geratener Gartenzaun erscheint - und wird schon in der ersten Begegnung mit der harten Realtität konfrontiert, die sie im Dickicht allerdings nur akustisch mitverfolgt: ungarische Grenzsoldaten verfolgen einen Flüchtling, es fallen Schüsse.
Trotz dieses Erlebnisses riskiert sie einige Tage später einen neuerlichen Gang an den Grenzzaun. Und dieses Mal widerfährt ihr ein Erlebnis ganz anderer Art: sie trifft auf einen jungen Mann auf der anderen Seite des Zaunes, der dem Freiwilligen Grenzschutz angehört und den von der deutschen Minderheit in Ungarn gepflegten hianzischen Dialekt spricht. Die Möglichkeit, einander näher zu kommen, entwickelt sich nicht trotz sondern gerade wegen des vorhandenen Zaunes, der zunächst als sichere Schutzbarriere fungiert.
Und es ist auch der Zaun, der den eigentlichen Reiz der Begegnung zwischen den beiden Menschen provoziert. Er schafft eine verbotene Zone, die gerade deshalb eine unerhört anziehende Beziehung zwischen den beiden bewirkt. Diese Grenze ist eigentlich auch die innere Grenze des ständigen Kampfes um diese Anziehung.
Gemeinsam und gemeinsam gegeneinander tragen sie ihre immer verwegener werdende Fantasie auf eine sexuelle Begegnung aus, die wesentlich von dem Vorhandensein dieses Zaunes geprägt ist, der ihnen aber gleichzeitig von dengroßen zeithistorischen Veränderungen weggenommen zu werden droht.
Ohne es zu merken gleiten sie in ein Desaster, das von gegenseitiger Anziehung und Abstoßung genauso geprägt ist wie von suchtartiger Suche nach einander und zynischer Reflexion des jeweils anderen. So werden diese beiden Menschen letztlich auch zu einer Metapher für den gegenseitigen Umgang der unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Systeme von Ost und West, die sehr bald nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach Annäherung und Vereinigung suchten.
Die kurze Beziehung zwischen „Christl“ und "Bela" (am Ende kennen sie noch immer ihre eigentlichen Namen nicht) ist denn auch in dem Augenblick zu Ende, als der Zaun zwischen ihnen abgerissen wird.
In der zwischenzeitlich renovierten Kirche von St. Emmerich, die nun auch von österreichischer Seite frei zugänglich ist, stoßen sie fünfzehn Jahre später bei einem Gottesdienst zufällig wieder aufeinander ...
Eine Besonderheit stellt die Musik von Gerald Schönfeldinger dar: sie wurde komponiert für Glasinstrumente, die mit ihrem genauso schwebenden wie mitunter schrillen Timbre jene zerbrechliche Atmosphäre nachvollzieht und suggestiv unterstützt, die von Anfang an auf der Beziehung zwischen den beiden Hauptprotagonisten liegt.
Siehe dazu www.glasharmonika.at
PRESSESTIMMEN
"Eiserne Grenze" sorgt für Gespräche
"Hobt's scha gheat? Da Wagner draht an Fülm bei da Emmerichs- Kirchn." Die beiden Sätze machten bald die Runde durch das kleine Inzenhof im Bezirk Güssing, direkt an der Grenze zu Ungarn gelegen und führten zu einigem Aufruhr in der Gemeinde.
Wenige Meter über der Grenze steht besagte Kirche auf ungarischem Boden, die seit 1980 mit starker burgenländischer Hilfe vor dem totalen Verfall gerettet wurde, heute in neuem Glanz auf einem Hügel bei Radling / Rönök (Ungarn) erstrahlt und zu einem beliebten Ausflugs- und Wallfahrtsort geworden ist.
ALTES MOTIV Das uralte Motiv, wo Liebende sich über Grenzen hinweg treffen, ist Thema des neuesten Films des Schriftstellers und Filmemachers Peter Wagner, der diese Idee bereits seit 1989 - seit dem Fall des eisernen Vorhanges - in sich trug und nunmehr verwirklicht.
"Die eiserne Grenze" ist ein Blick zurück auf jenes Jahr, knapp vor und nach dem Fall des "eisernen Vorhanges", der jahrzehntelang Österreich und Ungarn getrennt hatte. Eine nicht mehr ganz junge, aber immer noch jugendlich wirkende, attraktive Lehrerin in einem grenznahen Dorf trifft sich regelmäßig an der Grenze mit einem ungarischen Soldaten.
Als der Zaun verschwindet, brechen sie auch ihre Beziehung ab und begegnen sich erst anlässlich einer zufälligen Begegnung fünfzahn Jahre später in der mittlerweile renovierten Sankt Emmerichskirche.
Elfriede Jeindl, Vorsitzende des Vereins "Rettet die Sankt Emmerichskirche" und unermüdlicher Motor des Werkes, gefällt diese Geschichte nicht und drückt ihren Zorn aus: "Da haben viele gegen unsere Interessen zur Kirchenerhaltung mitgespielt und dem Wagner ein Werk ermöglicht, das wir uns sehr genau anschauen werden". Gerüchte, dass eine ungarische Prostituierte mitspiele, zerstreut Peter Wagner mit einem Lachen : "Die Lehrerin wird von der renommierten Schauspielerin, Michaela Gally, gespielt." Christoph F. Krutzler aus Kemeten, ein Urvieh der Schauspielkunst, ist der ungarische Grenzsoldat.
DANK Mit einem Team von insgesamt acht Leuten wird zwei Wochen im Bereich der Kirche gedreht. "Besonders bedanken aber müssen wir uns bei Bischof Iby, bei seinem ungarischen Kollegen Konkoly von der Diözese Steinamanger und bei den ungarischen Militärbehörden, die uns über zahlreiche bürokratische Hürden und gegen den Willen der örtlichen Kirche hinweg zur Dreherlaubnis verholfen haben", erzählt Peter Wagner im Gespräch mit dem KURIER.
Josef Lang, KURIER